Robert Browning

Mr. Sludge, das »Medium«


Und wenn bisweilen das Gespinst so dünn erscheint,
Daß es fast durchsichtig - wenn durch die falsche Welt
Die wahre fast sich zeigt - was sieht man da?
Ist sie denn so verderbt? Sieht man sich nicht
Jugend und Ernst und Eifer zugesellt,
Schönheit und Geist - und Rang und Reichtum, so man will:
Die ihrer Rechte sich begeben, den Genoß,
Gefährten grüßen (mich, mein Herr), vereint
Dem Sludgetum huldigen - mein, sein werden,
Von mir besessen [...]

Das alles könnte, kann sein, und es ist,
Lügt man zur rechten Zeit: Und drum lügt Sludge!
Ei, wär' er ärger als der Dichter, der besingt
Erfundner Griechen Taten sagenhaft
Vor Trojas Toren, das es niemals gab? [...]

Warum nach Dichtern greifen? Prosa, klar und schlicht,
Dem Hausverstand geweiht - wie steht's um sie?
Was finge sie ohne der Lügen Hilfe an?
Ein jeder über die Beschaffenheit
Der Dinge urteilt, wie sie ihm erscheint,
Nicht, wie sie ist; er sieht nur, was er will,
Blind dem, was ihm nicht paßt, verzeichnet nur
Das, was er sucht, schert sich nicht um den Rest.
Ob Weltgeschichte, Echsenzeitalter,
Nomadenvölker, Hundertjährger Krieg,
Jerome Napoleon - wie es beliebt.
Wie es dem Schriftsteller beliebt. Und wir
Bezahlen ihn und preisen ihn, weil er
Den Steinen Leben eingehaucht, Nebel
Mit Glut erfüllt, wiedererweckt, was war.
Stets heißt es: »Wie verstanden Sie es wohl,
Sicher durch dieses Labyrinth zu gehn?
Aus Luft zu bauen dieses Mauerwerk?
Wie auf so schwankend Grund mit sicher Hand
Zu gründen Epos, Lebensschilderung,
Erzählung? oder, anders ausgedrückt:
»Aus wieviel Lügen wurde fabriziert
Die Wahrheit, die man uns so bieder präsentiert?



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