
DIE ERSTE
DER MASURISCHEN GESCHICHTEN
Der
Leseteufel
Hamilkar Schaß, mein Großvater,
ein Herrchen von, sagen wir
mal, einundsiebzig Jahren, hatte sich
gerade das Lesen bei-
gebracht, als die Sache losging. Die Sache:
darunter ist zu ver-
stehen ein Überfall des Generals
Wawrila, der unter Sengen,
Plündern und ähnlichen
Dreibastigkeiten aus den Rokitno-
Sümpfen aufbrach und nach
Masuren, genauer nach Suleyken,
seine Hand ausstreckte. Er war,
hol's der Teufel, nah genug,
man roch gewissermaßen schon
den Fusel, den er und seine
Soldaten getrunken hatten. Die Hähne
von Suleyken liefen
aufgeregt umher, die Ochsen scharrten an der
Kette, die be-
rühmten Suleyker Schafe drängten sich
zusammen - hierhin
oder dorthin: worauf das Auge fiel, unser Dorf
zeigte man-
nigfaltige Unruhe und wimmelnde Aufregung - die
Geschichte
kennt ja dergleichen.
Zu dieser Zeit, wie gesagt,
hatte sich Hamilkar Schaß, mein
Großvater, fast ohne
fremde Hilfe die Kunst des Lesens bei-
gebracht. Er las bereits
geläufig dies und das. Dies: damit ist
gemeint ein altes
Exemplar des Masuren-Kalenders mit vie-
len Rezepten zum
Weihnachtsfest; und das: darunter ist zu
verstehen das Notizbuch
eines Viehhändlers, das dieser vor
Jahren in Suleyken
verloren hatte. Hamilkar Schaß las es
wieder und wieder,
klatschte dabei in die Hände, stieß, wäh-
rend er
immer neue Entdeckungen machte, sonderbare dumpfe
Laute des Jubels
aus, mit einem Wort: die tiefe Leidenschaft
des Lesens hatte ihn
erfasst. Ja, Hamilkar Schaß war ihr derart
verfallen, daß
er sich in ungewohnter Weise vernachlässigte;
er gehorchte
nur mehr einem Gebieter, welchen er auf masu-
risch den »Zatangä
Zitaj« zu nennen pflegte, was soviel heißt
wie
Leseteufel, ....